Der deutsche Mittelstand im Krisenmodus: Ein Appell an die Politik

28. September 2022

Es brennt lichterloh … und niemand ist in Sicht, der beim Löschen hilft. Der deutsche Mittelstand im Krisenmodus: Ein Appell an die Politik

Sehr geehrte Damen und Herren,

die exorbitant steigenden Energiepreise drohen den deutschen Mittelstand in einen Strudel von Insolvenzen zu treiben. Wir befinden uns im Krisenmodus! Nicht nur energieintensive Betriebe, sondern auch „Normal-“Betriebe können die neuen Preise, – die spätestens ab dem 01.01.2023 den meisten drohen, wenn die oft jährlich geschlossenen Verträge auslaufen und man in die Grundversorgung fällt, – nicht an den Kunden weitergeben.

Damit ist nicht einmal mehr eine kostendeckende Produktion möglich.

Nachdem ein gefährdeter Betrieb die Produktion einstellen muss, droht die Insolvenz, der Verlust der Arbeitsplätze, Ausfälle für Banken und Lieferanten mit einer entsprechenden Kettenreaktion, aber auch weiteren Lieferkettenunterbrechungen. Hier ist nicht die Rede von einzelnen Betrieben, sondern von einem massiven Sterben des Mittelstands.

Daher unser Appell: „Wir müssen JETZT die Weichen für eine
stabilisierende Energie- und Wirtschaftspolitik stellen!“

Und mit ‚wir‘ sind nicht nur die Unternehmen selbst gemeint, sondern vor allem die Politik und damit alle demokratischen Parteien, aber bitte ohne eine parteipolitische Diskussion zwischen Regierung und Opposition. Wenn es ans ‚Löschen‘ geht, muss sich jeder in die Reihe stellen und die Wassereimer weitergeben. Ob dann der Weg richtig war – darüber kann man hinterher streiten, wenn das Feuer gelöscht ist und wieder eine stabile Basis gesichert ist.

Schaffung von verlässlichen Rahmenbedingungen!
Was wir dringend brauchen, sind verlässliche Rahmenbedingungen! Dazu zählt gerade jetzt eine gesicherte Versorgung mit Energie in ausreichender Menge. Durch den zu verurteilenden Angriffskrieg, den die russische Armee gegen die Ukraine führt, stehen wir alle vor einer nie dagewesenen Aufgabenstellung. Das Füllen der leeren Gasspeicher ist richtig, auch wenn durch den Kauf auch der letzten verfügbaren Gasmenge der Preis nach oben getrieben wurde. Da gilt das richtige Prinzip von Angebot und Nachfrage. Dass aber auch die Strompreise derartig steigen, ist aus unserer Sicht eine unverständliche Konsequenz.

Entkoppelung der Preise und langfristige Sicherheit aufbauen!
Die Kopplung an den Gaspreis mag vielleicht einmal richtig gewesen sein. Dass aber Kraftwerke, die zur Deckung der Nachfrage weiter in Betrieb sind, mit den höchsten Grenzkosten dann die Erlöse und auch die Deckungsbeiträge aller günstigeren Anbieter bestimmen, kann bei den Unterschieden in den Entstehungskosten zwischen erneuerbarer Energie und Gaskraftwerken nicht mehr richtig sein. In Zeiten, in denen der Markt verrücktspielt, ist diese Kopplung fatal. Hier muss – egal ob auf deutscher oder europäischer Ebene – schnellstmöglich eine Entkopplung erfolgen.

Gleichgewicht schaffen und Gerechtigkeit im Blick halten!
Dass im Moment einige Unternehmen im Energiesektor exorbitante Gewinne einfahren, während andere untergehen, muss gestoppt werden. Deutschland ist ein energieintensives Land, das langfristig günstige Preise für Energie benötigt, um die industrielle Produktion zu erhalten. Werner von Siemens hatte bereits 1884 erkannt: „Für den augenblicklichen Gewinn verkaufe ich nicht die Zukunft!“

Alle Ressourcen nutzen und für Entspannung sorgen!
Jetzt sollten sämtliche Möglichkeiten zur Stromerzeugung genutzt werden, wenn die Nachfrage zu hoch ist. Auch hier gilt: Angebot und Nachfrage. Und wenn die Nachfrage auch durch den Bedarf der europäischen Nachbarländer hoch ist, dann muss eben alles getan werden, um auch das Angebot (nicht den Preis) hochzufahren oder zu halten. Daher ist ein Verzicht auf den Betrieb von Atomkraftwerken, die noch zur Verfügung stehen, in der jetzigen Lage nicht nachvollziehbar.

Bei der Gasversorgung gestaltet sich das Hochfahren schwieriger, da die Möglichkeiten begrenzt sind. Der schnelle Bau von LNG-Terminals und alternative Lieferanten ist richtig und wird hoffentlich zeitnah zur Entspannung beitragen.

Lösungen finden und konkrete Maßnahmen einleiten!
Bis dahin muss aber nicht nur der Großindustrie, sondern insbesondere auch dem Mittelstand mit seiner vielfältigen Struktur geholfen werden. Mit Preisobergrenzen, Ausgleichszahlungen, Kontingenten oder welche Möglichkeit auch immer kurzfristig möglich sind. Wir brauchen die Lösung schnell. Wir brauchen sie, um die Betriebe vor der Insolvenz zu retten. Wir brauchen sie aber auch, um Panik und Hoffnungslosigkeit in der Wirtschaft zu reduzieren. Ein steuerfreier Energiekosten-zuschuss an Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, der von den Unternehmen gezahlt werden soll, schürt Erwartungshaltungen, die aktuell von vielen Unternehmen nicht bedient werden können. Wie soll man Zuschüsse bezahlen, wenn große Verluste oder sogar die eigene Insolvenz droht?

Unternehmen aktiv einbinden und neue Wege gehen!
In den ländlichen Strukturen mit ausgeprägtem Mittelstand, in denen unsere Verbände tätig sind, ist der Anteil regenerativer Energien sehr hoch. Und es wird weiter ausgebaut. Wir beschäftigen uns auch mit Wasserstoff und anderen Möglichkeiten, fossile Energie zu ersetzen. Es ist richtig, diesen Umbau zu planen und anzugehen. So wie die Modernisierung eines Hauses auch ein langfristiges Projekt ist. Mittelstand verändert sich auch ständig und passt sich Marktgegebenheiten an.

Jetzt allerdings brennt das Haus lichterloh und wenn wir jetzt nicht gemeinsam schnellstens löschen, wird es nichts mehr zum Umbau und zur Modernisierung geben.

Wir laden die politisch Verantwortlichen aller Parteien ein, mit uns zu sprechen und dann aber auch die Ergebnisse umzusetzen. Das Mittelstandshaus brennt und die Politik sollte nicht über die Farbe des Feuerwehrautos oder den Druck im Löschschlauch diskutierten.

Was wir brauchen, ist das Kommando „Wasser marsch!“ und endlich Lösungen, die dem Mittelstand die so dringend benötigten Perspektiven bieten, die er mehr als verdient hat!

 

Mit freundlichen Grüßen

Heiner Hoffschroer                      Andreas Brill                           Mechthild Weßling                      Michael Girbes